Buchtipp: Slawig, Barbara, »Flugverbot«
07. Oktober 2013 17:07 - gehört zu: Büchertipps
Ich werde oft gefragt, "was lesen Sie denn
eigentlich so?". Die korrekte Antwort darauf wäre
"alles Mögliche", aber erstens ist das reichlich
unpräzise und zweitens ist natürlich auch nicht
alles, was ich lese, des Weitersagens wert. An meinen
Lesehighlights will ich den geneigten Besucher meiner
Website aber von nun an – ab und zu – teilhaben
lassen, und die diesjährige Buchmesse scheint mir ein
passender Anlass, mit diesem Projekt zu beginnen.
Erwarten Sie hier also in Zukunft ab und zu Buchtipps
wie den folgenden, lassen Sie sich dadurch zu
Entdeckungen verleiten – aber bewahren Sie sich Ihr
eigenes Urteil: Was mir gefällt, muss Ihnen nicht
zwangsläufig auch gefallen. Und was mir nicht
gefällt, wird hier nicht auftauchen.
Genug der Vorrede. Es war, wenn ich mich recht entsinne, um das Jahr 2000 herum, als plötzlich eine neue Stimme in der deutschsprachigen SF auftauchte – und ich sage absichtlich Stimme und nicht einfach nur Name, denn neue Namen tauchen immer wieder auf in diesem Genre, aber nicht immer hinterlassen sie bei mir einen nachhaltigen Eindruck.
Alles begann, wie so oft, damit, dass mich ein Verlag bat, ein Manuskript zu lesen und, bei Gefallen, ein Statement abzugeben, das man auf die Rückseite des gedruckten Buches setzen könne, zu Werbezwecken. Ich hatte Zeit und Lust dazu, sagte aber wie immer dazu, loben würde ich es nur, wenn es mir auch wirklich gefiele, und mir zu gefallen sei nicht leicht.
Das Manuskript kam, ich begann zu lesen. Und ich weiß noch wie heute, wie mich schon auf den ersten Seiten jenes Gefühl befiel, das ich beim Lesen suche und so selten finde: jenes Gefühl, das einen veranlasst, leise »Wow« zu sagen.
Dabei geschah auf diesen ersten Seiten nichts
sonderlich Aufregendes. Der Erzähler ist gerade mit
einer Raumfähre auf einem Planeten namens Jargus
gelandet, steht in der Schlange vor dem
Einreiseschalter, hinter einem dicken Touristen mit
einer am Kragen aufgeplatzten Jacke und einer
aufdringlich lauten Stimme, über den er sich ärgert.
Und ich dachte: Wow. Ja, so wäre es. Wir würden Lichtjahre überwinden, die Abgründe zwischen den Sternen, und uns immer noch ärgern über nervige Mitmenschen.
Im Weiterlesen wurde mir klar, dass ich SF von jener Art in Händen hielt, die ich schon immer gesucht hatte, ohne es zu wissen.
Warum habe ich Wow gesagt? Nicht, weil mir hier das noch größere galaktische Imperium vorgesetzt wurde, die noch krassere Gefahr für alles Leben im Universum oder was einem sonst gern so als angeblicher sense of wonder angedreht werden soll, sondern weil das alles eben gerade nicht der Fall war. Ich las eine fiktive Geschichte in einer fiktiven Zukunft, die auf einem Planeten spielte, den man vor sich sah, den man riechen konnte, anfassen, schmecken, eine Geschichte mit Figuren, die wie echte Menschen waren, keine Versatzstücke aus einschlägigen Fernsehserien. Und all das geschrieben in einer fein beobachtenden, nuancierten, genauen Sprache, mit einem Gefühl für Zwischentöne in Beziehungen und Gefühlen, unaufdringlich, lebendig und, soweit das bei Science-Fiction möglich ist, wahrhaftig.
Die Rede ist von Barbara
Slawig und ihrem Roman »Die lebenden
Steine von Jargus«. Die Geschichte ganz
kurz: Ein Kommissar kommt nach Jargus, einem
Planeten, auf dem man geheimnisvolle
Silikonlebensformen erforscht, trifft eine
rätselhafte Frau, verliebt sich in sie und wird
dadurch in eine politische Intrige verwickelt. Das
Ganze spielt vor dem Hintergrund eines von Terra
dominierten Sternenreiches, von dem sich einige
rebellische Welten, darunter eben Jargus, vor einiger
Zeit losgesagt haben – zum Missfallen der
Zentralmacht, selbstverständlich.
Der Roman ist seinerzeit im Haffmanns Verlag erschienen, hat aber beklagenswert wenig Resonanz ausgelöst (trotz meiner lobenden Worte auf der Buchrückseite), und so ist es kein Wunder, dass der deutschsprachigen SF diese Stimme, wie es scheint, wieder verlorengegangen ist: Slawigs neuester Roman »Visby« ist ein Familiendrama mit Thriller-Elementen, die Suche einer Frau nach ihrer Kindheit und ihrer Identität, sehr beklemmend und realistisch, aber eben SF-frei.
Doch nun ist ihr SF-Roman unter dem (ursprünglich von der Autorin gewünschten) Titel »Flugverbot« wieder erhältlich, und zwar neu aufgelegt vom Golkonda-Verlag, was, betrachtet man das anspruchsvolle Programm dieses Berliner Verlages, an sich schon eine gewichtigere Empfehlung ist als die, die ich hiermit für dieses Buch ausspreche.
Genug der Vorrede. Es war, wenn ich mich recht entsinne, um das Jahr 2000 herum, als plötzlich eine neue Stimme in der deutschsprachigen SF auftauchte – und ich sage absichtlich Stimme und nicht einfach nur Name, denn neue Namen tauchen immer wieder auf in diesem Genre, aber nicht immer hinterlassen sie bei mir einen nachhaltigen Eindruck.
Alles begann, wie so oft, damit, dass mich ein Verlag bat, ein Manuskript zu lesen und, bei Gefallen, ein Statement abzugeben, das man auf die Rückseite des gedruckten Buches setzen könne, zu Werbezwecken. Ich hatte Zeit und Lust dazu, sagte aber wie immer dazu, loben würde ich es nur, wenn es mir auch wirklich gefiele, und mir zu gefallen sei nicht leicht.
Das Manuskript kam, ich begann zu lesen. Und ich weiß noch wie heute, wie mich schon auf den ersten Seiten jenes Gefühl befiel, das ich beim Lesen suche und so selten finde: jenes Gefühl, das einen veranlasst, leise »Wow« zu sagen.

Und ich dachte: Wow. Ja, so wäre es. Wir würden Lichtjahre überwinden, die Abgründe zwischen den Sternen, und uns immer noch ärgern über nervige Mitmenschen.
Im Weiterlesen wurde mir klar, dass ich SF von jener Art in Händen hielt, die ich schon immer gesucht hatte, ohne es zu wissen.
Warum habe ich Wow gesagt? Nicht, weil mir hier das noch größere galaktische Imperium vorgesetzt wurde, die noch krassere Gefahr für alles Leben im Universum oder was einem sonst gern so als angeblicher sense of wonder angedreht werden soll, sondern weil das alles eben gerade nicht der Fall war. Ich las eine fiktive Geschichte in einer fiktiven Zukunft, die auf einem Planeten spielte, den man vor sich sah, den man riechen konnte, anfassen, schmecken, eine Geschichte mit Figuren, die wie echte Menschen waren, keine Versatzstücke aus einschlägigen Fernsehserien. Und all das geschrieben in einer fein beobachtenden, nuancierten, genauen Sprache, mit einem Gefühl für Zwischentöne in Beziehungen und Gefühlen, unaufdringlich, lebendig und, soweit das bei Science-Fiction möglich ist, wahrhaftig.

Der Roman ist seinerzeit im Haffmanns Verlag erschienen, hat aber beklagenswert wenig Resonanz ausgelöst (trotz meiner lobenden Worte auf der Buchrückseite), und so ist es kein Wunder, dass der deutschsprachigen SF diese Stimme, wie es scheint, wieder verlorengegangen ist: Slawigs neuester Roman »Visby« ist ein Familiendrama mit Thriller-Elementen, die Suche einer Frau nach ihrer Kindheit und ihrer Identität, sehr beklemmend und realistisch, aber eben SF-frei.
Doch nun ist ihr SF-Roman unter dem (ursprünglich von der Autorin gewünschten) Titel »Flugverbot« wieder erhältlich, und zwar neu aufgelegt vom Golkonda-Verlag, was, betrachtet man das anspruchsvolle Programm dieses Berliner Verlages, an sich schon eine gewichtigere Empfehlung ist als die, die ich hiermit für dieses Buch ausspreche.