▼
Im Moment schreibe ich an meinem ersten Roman, welcher von einem Menschen handelt, der im 2. Weltkrieg etwas getan hat, was mich einfach fasziniert. Ich versuche aber nicht eine Autobiographie zu schreiben, sondern die Umstände und beteiligten Personen neu zu erfinden, um es wie einen Krimi zu gestalten. Der Rest, wie die Tat an sich und die Zeit und Umgebung, stimmen überein, d.h. Wahrheit und Fiktion sind vermischt. Meine Frage lautet nun: Wäre das eher ein Kriterium, diesen Roman abzulehnen?
Nein. Jack Higgins hat so etwas laufend gemacht und Weltbestseller damit geschrieben. ("Der Adler ist gelandet" und andere.) Generell ist diese Vermischung von geschichtlichen Tatsachen und Fiktion ein Hauptmerkmal historischer Romane, und historische Romane sind ja hierzulande oft große Erfolge. Wenn es sich bei besagter Person um eine Figur der Zeitgeschichte handelt (und nicht um, sagen wir, die Schwiegermutter Ihres Klassenkameraden), ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn man sie erkennt; bekannte Persönlichkeiten müssen mit so etwas leben.
▼
In welches Genre kann man eigentlich Romane einordnen, die nur wenige Jahre in der Zukunft spielen und ansonsten keine ausgeprägten Science-Fiction-Elemente enthalten?
In kein besonderes, das sind einfach Romane. "Zukunft" bedingt nicht automatisch "Science Fiction". Der Begriff "Science Fiction" beinhaltet "Science", also Wissenschaft, weswegen zu fordern ist, daß wissenschaftliche Aspekte für eine Geschichte eine tragende Rolle spielen müssen, damit sie als Science-Fiction gelten. (Das trifft auf viele als Science-Fiction veröffentlichte Romane nicht zu: Star Trek & Co. sind eigentlich "Soap Operas" im Weltraum, und ihre Autoren sind naturwissenschaftlich oft erschreckend unbeleckt.)
Wobei ich gestehen muß, daß ich die Einordnung in Genres mit Vergnügen und Erleichterung den Verlagen überlasse. Genres, das sind Krimis, SF, Horror, Thriller, Historischer Roman - kurz gesagt literarische Kategorien, die durch bestimmte Konventionen geprägt sind, also einerseits Erwartungen der Leser, andererseits Voraussetzungen, von denen der Autor als gegeben ausgehen kann. Stützkorsette für Geschichten, sozusagen. Im Krimi weiß man, daß ein Verbrechen eine Hauptrolle spielen wird; im normalen Roman weiß man es nicht. Deswegen muß der Autor mehr leisten; er muß nicht nur schildern, sondern auch noch vermitteln, welche Bedeutung ihm im Gesamtzusammenhang zukommt.
▼
Können Sie mir noch sagen wenn man Gruselgeschichten oder Horrorromane schreibt welche Verlage darauf spezialisiert sind. Oder kann man das überall anbieten?
Nur, wenn man zuviel Geld für Porto hat.
Ansonsten: Überlegen Sie doch mal selber. Sie brauchen nur in die nächste Buchhandlung, Bücherei oder an Ihr eigenes Bücherregal zu gehen, nach Büchern zu suchen, die so ähnlich sind wie das, was Sie vorhaben, und nachschauen, von welchen Verlagen sie stammen.
Was sich für Sie außerdem lohnen würde: Sich ein bißchen genauer mit Kommasetzung usw. zu befassen. Einen Text, in dem wie in Ihrem Mail alle Kommata, Fragezeichen usw. fehlen, liest kein Verlagslektor weiter als bis zum zweiten Absatz.
▼
Kann man davon leben, für eine Heftroman-Serie zu schreiben?
Kommt völlig auf die Schreibgeschwindigkeit an, die man an den Tag legt. Für einen Heftroman (das sind ca. 100 Manuskriptseiten) werden, was ich so gehört habe, so zwischen 800 und 1200 Euro gezahlt.
▼
Ich frage mich, wie ich es schaffen könnte, ohne bisherige Veröffentlichung, bei einer Heftroman-Serie mitzuwirken (muss nicht Perry Rhodan sein). Wie kann ich diesbezüglich einen Verlag auf mich aufmerksam machen, ohne dabei aufdringlich zu wirken?
Heftromanverlage suchen im Grunde immer Autoren. Sie können da einfach anrufen und fragen, ob aktuell Bedarf besteht, und natürlich sollten Sie auf Nachfrage imstande sein, etwas vorlegen zu können, von dem der zuständige Redakteur sagt, "jo, paßt". Literarische Ambitionen usw. darf man da nicht raushängen; für die meisten Heftromanserien gibt es ganz klare Autorenvorgaben, was in einem Heft vorkommen darf/muß/nicht sein darf. In Liebesromanen für Frauen etwa dürfen meist keine Sexszenen geschildert werden, es bleibt bei Küssen und keuschem Erröten, während bei der Westernserie "Lassiter" mindestens ein Koitus pro Roman Vorschrift ist. Und so weiter.
▼
Gibt es für einen "Nachwuchsschreiber" überhaupt den Hauch einer Chance, bei einer Heftromanserie mitzuwirken?
Es ist richtig, daß die meisten Verlage die Zusammenarbeit mit erfahrenen Autoren vorziehen, doch es hat andere Gründe, als Sie denken. Die wichtigste Eigenschaft, die ein Heftromanautor glaubhaft machen muß, ist die, DASS ER PÜNKTLICH ABGEBEN WIRD. Sie müssen für einen Heftroman ca. 100 Seiten Romantext fertigstellen innerhalb von 6-8 Wochen. Wenn Sie das können, werden Sie auch ins Geschäft kommen, sofern das, was Sie schreiben, zumindest minimalen Anforderungen an Qualität standhält.
Die meisten Nachwuchsautoren kriegen angesichts dieser Forderung einen Herzkasper. Weil sie für 100 Seiten 6-8 MONATE zu brauchen glauben, und selbst wenn man ihnen soviel Zeit einräumen würde, wären sie sich nicht sicher, pünktlich abgeben zu können. Für eine Heftromanserie ist die pünktliche Abgabe aber das ALLES entscheidende Kriterium! Am Tag X muß das Heft am Kiosk sein, sonst kommt alles durcheinander. Und es dürfen keine leeren Seiten drin sein.
▼
Muss man als Heftroman-Autor sehr schnell schreiben können?
Empfiehlt sich. Je schneller, desto besser. Jason Dark, der Autor der Romanheftreihe "John Sinclair", schreibt jede Woche einen Heftroman und nebenbei ein Taschenbuch pro Monat. Macht summa summarum an die 700 Seiten pro Monat. Reife Leistung, oder? Es gibt Autoren, die schaffen so ein Pensum in zehn Jahren nicht.
▼
Welches Genre kann ein unbekannter Autor am besten einem Verlag anbieten? Thriller, Krimi? Phantasie? SF scheint ja zwecklos, oder?
Sie können sich nicht aussuchen, was Sie schreiben können. Sie müssen ein GUTES Buch anbieten - spannend, bewegend, gut geschrieben; ein Buch, das dem Leser ein unvergleichliches Leseerlebnis beschert. Wenn Sie das hinkriegen, ist das Genre völlig egal.
Andersherum gesagt: Statt über Genres und Verlage nachzudenken, versuchen Sie herauszufinden, was Ihnen am besten liegt. Und schreiben Sie das. Sie müssen nach der Spitzenleistung streben, nicht nach einem Platz im Mittelfeld.
▼
Ich höre sehr oft, dass SF ein eher mauer Markt ist. Wenn ich aber eine "Mainstream" - Buchhandlung betrete, ist das SF-Regal fast immer in der allerbesten Position!
Sie gehen eindeutig in andere Buchhandlungen als die, die ich kenne.
▼
Was halten Sie von mehrteiligen Romanen?
Ein Roman muß mir zunächst mal gefallen, dann ist es mir egal, ob er aus mehreren Teilen besteht oder nicht. Für einen Jungautor empfiehlt es sich, mit einem Einzelwerk anzufangen, da dessen Veröffentlichungschancen größer sind. Besonders zur Zeit herrscht ein Überangebot an Trilogien und anderen -logien.
▼
Kann es sein, dass der SF Markt einfach ein ganz eigenwilliger ist, da er eine der letzten Bastionen der "lesbaren" Belletristik-Philosophie darstellt?
Eigenwillig ist er zweifellos, warum auch immer. Es ist vor allem ein weitgehend abgeschotteter Markt. Sprich, Leute, die SF lesen, lesen in der Regel sonst nichts, und Leute, die normale Literatur lesen, lesen in der Regel keine SF. Da ist eine ganz hohe Mauer, und wenn mal ein SF-Roman aus Versehen in eine allgemeine Reihe rutscht, kann es sein, daß er von den SF-Fans dort übersehen wird.
▼
Erleichtert es den Einstieg in den amerikanischen / englischsprachigen Buchmarkt, wenn man Amerikaner als Protagonisten verwendet?
Das kann man vergessen, für einen Autor deutscher Zunge ist der deutsche Buchmarkt der entscheidende. Amerikanische und englische Verleger sind es sowieso nur gewöhnt zu EXportieren und zeigen generell wenig Interesse an ausländischen Autoren.
▼
Letzlich kommt es ja seltener auf das Produkt an als auf die Verkaufsstrategie. Ist zwar ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, aber so ist es.
Glauben Sie, Shakespeare hat nur nach hoher Kunst gestrebt? Weit gefehlt. Er wollte volle Häuser und volle Kassen, Punkt.
Im übrigen ist das ein Irrglaube. Wenn Sie eine tolle Verkaufsstrategie, aber ein beschissenes Produkt haben, sind Sie auch bald pleite.
▼
Ich wüßte gern, ob ich meine Geschichte als SF- oder als Fantasy-Projekt zu verstehen habe. Was ist der Unterschied?
Wenn es naturwissenschaftlich begründet ist (selbst unter Zuhilfenahme bislang unentdeckter wissenschaftlicher Prinzipien, z.B. Hyperraum usw. ), dann wird es allgemein als SF betrachtet. Fantasy ist es, wenn Phänomene MAGISCH begründet werden.
Letztendlich ist die Einordnung in solche Kategorien aber eine Marketingüberlegung des Verlags, von daher brauchen Sie sich da den Kopf nur bis zu einem gewissen Grad zu zerbrechen.
▼
Verlage scheinen Kurzgeschichten und Anthologien zu meiden wie die Pest. Ist das richtig und kann es sein, daß man Kurzgeschichten, es sei denn man heißt Stephen King, überhaupt nicht in Buchform verkaufen kann?
Genauer gesagt sind es vor allem die Leser und Buchkäufer, die Kurzgeschichtenbände meiden wie die Pest. Sogar die Short Story-Sammlungen von Stephen King erwirtschaften nicht wirklich Gewinn, und das, obwohl King ein begnadeter Kurzgeschichtenschreiber (kann er fast besser als Romane, IMHO) und außerdem eben STEPHEN KING ist.
Kein Wunder also, daß Verlage bei Kurzgeschichten eher abwinken.
Ich habe mir so beholfen, daß ich mein erstes Buch, "Die Haarteppichknüpfer", ebenfalls im Grunde eine Kurzgeschichtensammlung, als Roman getarnt habe :-) und schon lief's...
▼
Hat deutsche SF eine Chance auf dem Markt und wenn ja, welche Verlage nehmen sich deutscher SF-Nachwuchsautoren an?
Das Beispiel von Autoren wie z.B. H. D. Klein oder Michael Marrak zeigt, daß deutsche SF sehr wohl eine Chance auf dem Markt hat. Tatsächlich sind alle Verlage grundsätzlich sehr interessiert an SF von deutschen (bzw. deutschsprachigen) Autoren, da der angloamerikanische Sprachraum mittlerweile weitgehend abgegrast ist, die Lizenzforderungen von dort exorbitante Höhen erreichen und es - da die meisten Leute nun mal nur Englisch als Zweitsprache beherrschen - schwierig ist, im nichtenglischen Ausland gute Romane ausfindig zu machen. Das Problem ist nur, daß die wenigsten Roman deutscher Autoren etwas taugen. Ich hielt diese Feststellung, die man oft von Lektoren hört, lange auch für eine Schutzbehauptung, habe aber inzwischen einiges zu sehen bekommen und muß sagen: es stimmt. Die meisten sogenannten "SF-Romane" sind nur aus Versatzstücken aus Star Trek und dergleichen zusammengequirlte, sprachlich schlampige und langweilig zu lesende Elaborate, die es nicht wert sind, daß dafür Bäume sterben.
Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Ja, deutsche SF hat eine Chance, eine gute sogar, aber es muß sich um Romane handeln, wie es sie NOCH NICHT gibt, sie müssen sprachlich-handwerklich zumindest in Ordnung sein und einigermaßen interessant. Dann haben Sie Chancen bei jedem Verlag, der SF herausgibt.
▼
Finden Sie auch, dass zur Zeit die Tendenz zu eher kurzen Buchtiteln besteht? Obschon man ja da als Autor nicht so viel Einfluss darauf hat und ein Buch- Titel wohl zu 99 % vom Verlag vorgegeben wird. Auf der anderen Seite denke ich wieder, dass zum Beispiel bei poetischen Werken auch ein etwas längerer Titel Programm sein kann (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins....)
Ich muß gestehen, daß ich, was Buchtitel anbelangt, keine Trends auszumachen imstande bin. Grundsätzlich denke ich, daß ein guter Titel ein Buch verkaufen kann, und zwar nicht nur an den Leser, sondern auch an den Verlag! Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Verlag beim Titel ein Wörtchen mitredet (übrigens nicht zu 99%, ein Verlag muß Sie als Autor schon überzeugen, zuzustimmen, denn ohne Ihre Zustimmung darf er den Titel ebensowenig ändern wie irgendeinen anderen Teil Ihres Werkes! - Wobei das Argument "es wird sich so besser verkaufen" schon ziemlich stark ist...), ist es deshalb sinnvoll, sich da gründlich Gedanken zu machen. Ein genialer Titel wie "Schnee der auf Zedern fällt" verkaufte einen ansonsten nicht weiter bemerkenswerten Krimi, und in einen Umschlag mit dem Titel "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überallhin" hätte man im Grunde fast jedes Buch einpacken können, es wäre ein Seller geworden.
▼
Weiterführende Tipps zur Gestaltung von SF-Romanen interessieren mich, falls es dergleichen gibt.
Da könnte man Bücher dazu schreiben; tatsächlich sind auch schon Bücher dazu geschrieben worden - leider nur auf Englisch erhältlich: gucken Sie mal bei Writersdigest.com nach. Das ist ein Verlag, der Bücher übers Schreiben herausgibt und eine Zeitschrift, die sehr gut ist - ich hatte sie auch jahrelang abonniert.
Zwei grundsätzliche Ratschläge:
Erstens - ein SF-Autor, der nur Star Trek guckt und Perry Rhodan liest, wird nie etwas Gescheites zuwege bringen. Es ist elementar wichtig, über den Tellerrand hinauszugucken und viel zu lesen, das NICHT SF ist. Und keine Angst (aber auch keine übertriebene Ehrfurcht) vor den Klassikern!
Zweitens: Ein SF-Roman ist in erster Linie ein Roman; es gelten für ihn die gleichen Anforderungen hinsichtlich sprachlicher Gestaltung wie für jeden anderen Roman auch. Da gibt es mittlerweile auch erfreulich viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden, die man nutzen sollte. Daß es bei SF von deutschen Autoren in erster Linie an der Sprache hapert, heißt mit anderen Worten, daß man nur ein bißchen besser als ganz schlecht sein muß, um sich schon positiv abzuheben.
© Andreas Eschbach